Donnerstag, 10. August 2006
Unser gutes Recht
Hallo liebe Leute,

ich möchte an dieser Stelle einmal zusammenfassen, auf welch spannenden Pfad einen die juristische Betrachtung unseres "kleinen Problemchens" so führt. Natürlich sei angemerkt: Ich bin kein Jurist und so fehlbar wie jeder andere paranoide Androide.
Legen wir es einfach mal drauf an.

Ausgegangen bin ich von einer vom Netzwerk-Recherche zitierten Textstelle eines Rundfunkurteils (auch hier zu finden). Ich zitiere den Originaltext des sog. 3. Rundfunkurteils oder FRAG-Urteils vom 16. Juni 1981:

Zitat: _______________________________________

Die Rundfunkfreiheit dient der gleichen Aufgabe wie alle Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG: der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, dies in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinungen beschränkten, sondern jede Vermittlung von Information und Meinung umfassenden Sinne (...). Freie Meinungsbildung vollzieht sich in einem Prozeß der Kommunikation. Sie setzt auf der einen Seite die Freiheit voraus, Meinungen zu äußern und zu verbreiten, auf der anderen Seite die Freiheit, geäußerte Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, sich zu informieren. Indem Art. 5 Abs. 1 GG Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit als Menschenrechte gewährleistet, sucht er zugleich diesen Prozeß verfassungsrechtlich zu schützen. Er begründet insoweit subjektive Rechte; im Zusammenhang damit normiert er die Meinungsfreiheit als objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung, wobei subjektiv- und objektivrechtliche Elemente einander bedingen und stützen (...). (101)

http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv057295.html
___________________________________ Zitat Ende


Natürlich hatte meinereiner keine Ahnung, was ein "subjektives Recht" ist:

Zitat: _______________________________________

Leistungsrechte oder Abwehrrechte des Bürgers gegenüber staatlichen Institutionen werden als subjektive öffentliche Rechte bezeichnet. Sie begründen eine konkrete Rechtsposition des Bürgers. Das subjektiv-öffentliche Recht schließt die Befugnis ein, vor Gericht um dieses Recht zu streiten. Der Staat, also der Bund, das Land, die Kommune, die Hochschule und so weiter können vor die Schranken eines Gerichts zitiert werden. Das ist vielleicht sogar seine praktische Hauptbedeutung. Wer sich auf ein subjektiv-öffentliches Recht berufen kann, der ist nicht mehr alleine der Allmacht der staatlichen Einrichtungen ausgesetzt, denn ihm öffnen sich die Pforten zum Gericht, zum Rechtsschutz.

http://www2.hs-fulda.de/fb/sw/projekte/curs/r1bibliothek/bibliothek/texte/05oeffrecht/verwrecht/subjektivrecht.htm
___________________________________ Zitat Ende


Deutlicher kann es also kaum sein:
Das BVerfG unterstellt die "dienende Rundfunkfreiheit" der allgemeinen Meinungsfreiheit und räumt jedem Bürger den Klageweg ein, sofern sie nicht in deren Sinne erfüllt wird.
Aber es kommt noch "schöner":

Zitat: _______________________________________

Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk verlangt zunächst die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme. Insoweit hat die Rundfunkfreiheit, wie die klassischen Freiheitsrechte, abwehrende Bedeutung. Doch ist damit das, was zu gewährleisten ist, noch nicht sichergestellt. Denn bloße Staatsfreiheit bedeutet noch nicht, daß freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk möglich wird; dieser Aufgabe läßt sich durch eine lediglich negatorische Gestaltung nicht gerecht werden. Es bedarf dazu vielmehr einer positiven Ordnung, welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird. Um dies zu erreichen, sind materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen erforderlich, die an der Aufgabe der Rundfunkfreiheit orientiert und deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten will. (104)
(...)
Die aus Art. 5 Abs. 1 GG folgende Aufgabe, Rundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten, berechtigt (...) nicht zu einer Beschränkung des Grundrechts. Eine solche ist nur gemäß Art. 5 Abs. 2 GG zulässig, nach dem die Rechte des Abs. 1 ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre finden. (107)

___________________________________ Zitat Ende

Wie lest Ihr das?

Gruß
marvin

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Hallo marvin,

ich stelle mir zwei Fragen. Hier wird vom Rundfunk gesprochen. Beinhaltet das auch ein Forum? Wenn es das tut, muß man klagen um zu seinem Recht zu kommen. Wer will klagen?

Das in Deutschland formal eine grundgesetzrechtlich garantierte Meinungs-, Rede- und Informationsfreiheit besteht, daran zweifelte wohl niemand. Das Aushebeln derselben unter Beweis zu stellen, ist schon schwieriger.

Gruß
mowitz

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Hallo mowitz.

Wie Du oben gelesen hast, sind die ö.-r. Rundfunkanstalten vom BVerfG verpflichtet worden, eine "positive Ordnung" herzustellen, "welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet". M.E. kann man dem Urteil klar entnehmen: Die durch die "binnenpluralistische" Besetzung der Rundfunkräte hergestellte "Staatsferne" ist eine notwendige, keineswegs aber schon eine hinreichende Bedingung im Sinne des GG Art.5-1; die Anstalten müssen aktiv etwas dafür tun.

Zur Frage, was denn nun Rundfunk ist, kann man das Urteil vom 24.03.1987 (BVerfGE 74, 297 Baden-Württemberg) heranziehen. Damals ging es noch um Videotext, aber die Anwendung der oben näher erläuterten "Rundfunkfreiheit" auch für zukünftige Techniken wird ausdrücklich betont:

Zitat: _______________________________________

Soll die Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende Wirkung bewahren, dann kann es nicht angehen, nur an eine ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durchaus erfüllen könnte. (148)
(...)
Kein Unterschied zwischen den als "Rundfunk" und den als "rundfunkähnliche Kommunikation" bezeichneten Sendungen besteht in den Punkten, die unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 1 GG allein entscheidend sein könnten: dem Inhalt der Sendungen und den am Kommunikationsprozeß Beteiligten. In beiden Fällen werden Sendungen gleichen Inhalts verbreitet; hier wie dort sind die Veranstalter und eine unbestimmte Vielzahl von Zuschauern oder Hörern beteiligt; hier wie dort trifft der Teilnehmer Auswahlentscheidungen durch Ein- und Ausschalten. (153)
(...)Jedenfalls kann sich aus der rein deskriptiven Unterscheidung des Gesetzes nicht ergeben, daß die Veranstaltung von Videotext sowie von Ton- und Bewegtbilddiensten auf Abruf und auf Zugriff verfassungsrechtlich nicht der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit unterfällt. (154)

http://www.oefre.unibe.ch/law/dfr/bv074297.html
___________________________________ Zitat Ende

Laut Wikipedia befaßt sich mit diesem Punkt auch das nächste, 6. Rundfunkurteil (WDR-Urteil), das ich aber momentan noch nicht gelesen habe.

Also: Ja.
Das Internet ist in diesem, auf die Gewährung der Grundrechte gerichteten Sinne für die Öffentlich-Rechtlichen ganz klar "Rundfunk" und sie haben die oben erwähnte "positive Ordnung" in "möglichster Breite und Vollständigkeit" der Meinungsvielfalt herzustellen. Die Tagesschau ist das Nachrichten-Flagschiff der ARD. Ich denke, da gilt das im Besonderen.


Wir haben vor einem Jahr gesagt, wir wollten eine gütliche Einigung und keine Klage. Das hier soll erst einmal auch nur dazu dienen, unsere Rechtsposition abschätzen zu können. Ich meine, wir hätten sogar eine.

Gruß
marvin

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