Freitag, 3. November 2006
Zur gefühlten Demokratie
Bei uns existiert ja inzwischen so ziemlich alles gleich mehrfach:
Die Temperatur, die Inflation, die Arbeitslosigkeit - warum also nicht auch noch die Demokratie?

Zunachst muß man sich einmal vergegenwärtigen, was überhaupt die Frage war:
Wie sehr sind Sie zufrieden mit dem Funktionieren der D. in D.?
Nun ja: Wenn meine Karre nicht läuft, habe ich bestimmt erhebliche Zweifel am Funktionieren und bin völlig unzufrieden, will aber deshalb noch lange nicht zu Fuß gehen. Ungefähr so kommt der Hype um diese Umfrage aber mal wieder rüber.

Machen wir's doch mal wie die Meteorologen und schauen uns einzelne "gefühlte Demokratien" etwas genauer an.
In Hamburg z.B. ist es derzeit wirklich bitter kalt:
Die dortige Union überstimmte vor drei Wochen mit ihrer Mehrheit im Senat eine Volksabstimmung, der nach die Hamburger Bürger die vorgefertigten Wahllisten der Parteien nicht anzunehmen brauchten. Das war der Tagesschau (z.B.) keine Meldung wert, was man für "gefühlte Demokratien" durchaus verallgemeinern kann:
Auch 1000fache "örtliche Kälte" wird grundsätzlich als Lokalthema abgetan.

Die Hamburger Union rutschte in der letzten Umfrage auf 35%.
Welt, Spiegel und natürlich Morgenpost berichteten.


Szenenwechsel:
Mülheim an der Ruhr hatte mal einen Bürgermeister, den es nicht mehr wollte. Der Gute hatte ein Techtelmechtel mit einer sog. "Beraterin", was in der Presse ein fürchterlicher Skandal war. Worin sie ihn beraten hatte und wogegen die Bürgerschaft sich aufmüpfig wandte - die Privatisierungen der dortigen Infrastruktur nämlich - war hingegen kein Skandal. Daß er heute als Staatssekretär in Rüttgers Wirtschaftsministerium sitzt, war ebensowenig einer, obwohl nicht unbedingt wenige Bürger das natürlich etwas anders sehen.


Szenenwechsel:
Wie mag wohl meine "gefühlte Demokratie" aussehen, wenn ich bei Sabine Christiansen ständig abgehalfterte Übrigbleibsel wie Clement, Merz oder auch kürzlich diesen RWE-Meier mit Ypsilon präsentiert bekomme, der dann auch noch betont, irgendein Gericht habe die Sache (vertraglich) ja ganz anders gesehen? Die Macht-Elite läßt keinen hängen, und wir sollen's bitteschön runterwürgen.


Nur vier Prozent sind Mitglied irgendwelcher Parteien.
Noch kurz vor ihrer Kanzlerwahl sagte Frau Merkel, wir hätten keinen Rechtsanspruch auf Demokratie für alle Ewigkeit. Sie hatte zwar unrecht; das ist allerdings keine politische Kategorie.
Wie auch immer: Dem Rest friert.

marvin
Nicht erschienen zwischen 14 und 15 Uhr im neuen Forum "Deutschland und die Demokratie"

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