Samstag, 17. Juni 2006
Begegnung mit Herrn W.
Ich hatte ihn wirklich nicht gesucht.

Aber wie das halt so ist, im richtigen Leben: Plötzlich stand er da und grinste mich blöd an. Mitten auf dem Fahrradweg. Er wirkte wie üblich reichlich zweidimensional, auch wenn er auf drei Beinen um so etwas wie ein Stadtbäumchen herum postiert war, und überall hin gleichzeitig. Daß dieses vermutlich aus Geldmangel viel zu jung an dieser vielbefahrenen Straße eingepflanzte Bäumchen ihn nicht interessierte, hätte er nicht dermaßen betonen müssen.

Und da standen wir nun.
"Tag, Herr W.: Was ich Ihnen immer schonmal sagen wollte ..."?
Nein: Betretenes Schweigen.

Ich habe ihn dann doch etwas gefragt, warum er unbedingt dort stehen muß, auf dem Fahrradweg, und nicht bei den Autos. Er antwortete nicht, aber vermutlich hätten ihn besonders seine bei uns recht zahlreichen Wähler für die leichteste Schramme an ihrem besten Stück erbarmungslos verklagt. Eigentlich wollten sie ihn ja, aber bitteschön nicht in ihrem Wohnzimmer.
Und ich? Ich wollte ihn doch auch nicht! Die Situation war mir äußerst peinlich, hinterher sieht mich noch jemand; nicht nur die entgegenkommenden Fußgänger, die mir den Ausweg versperrten.

Er grinste weiter.
Anscheinend gefiel ihm das: Sollte schließlich jemand nachts, besoffen, ohne Licht in ihn hineinrasen, so wäre es ja nicht seine Schuld.
Für ihn war es "Freiheit".

marvin
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Ein zensierter Text aus dem Sommerloch-Wahlkampf der letzten Bundestagswahl.

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