Dienstag, 12. September 2006
Wer glaubt, ist nie allein
Nein, ich war nicht allein an jenem Tage:
Ich hatte es noch zu Hause gesehen, als die ersten Bilder kamen. Ein späterer Termin verschlug mich an den Hauptbahnhof, wo ich, mit vielen vor der dortigen Großbildleinwand stehend, den ersten Turm einstürzen sah. Es war n-tv am Bahnhof. Die Bahn mußte warten. Ob sie zu spät kam oder ich eine spätere nahm, vermag ich nicht mehr zu sagen; meine Erinnerung ist offenbar sehr auf die Ereignisse in New York reduziert und Anderes trat in den Hintergrund. Ich kann mich aber erinnern, wie nicht nur alle unbekannter Weise zusammen auf die Leinwand starrten, sondern zumeist ungläubige Blicke auch vermehrt einander trafen: Man konnte es kaum fassen.
Es war ja auch zu viel.

Dort, wo ich ankam, herrschte bereits der Ausnahmezustand. Man redete, wenn, dann von den Opfern, von mehr wußte man schließlich nichts. Die Vorstellung, selbst in diesem Gebäude zu sein, übermannte jeden: Man war betroffen. Ich weiß, daß ich ebenso betroffen war.
Im Hintergrund die damalige Dauerschleife; die Medien wußten ja genauso wenig.

Ich kann mich noch erinnern, daß ich dennoch über Gründe spekulierte. Ich kann mich noch erinnern, wie ich von Anwesenden abgewürgt wurde und plötzlich sehr allein war: Ihre Hinwendung zu den Opfern war, unwissend, schließlich unausweichlich.
Ich war ohnmächtig und akzeptierte es.
Sie waren ohnmächtig und rangen um Kontrolle.
Ich kann mich gut erinnern, daß es mir peinlich war, so pietätlos zu sein.

Wenig später wußten wir ja, daß es Osama war.
Gefragt haben wir nicht mehr. Wenigstens waren wir nicht allein.

Es sind heute 40% aller Amerikaner: Allein.
Das ist die Vereinzelung unserer Gesellschaft.

Mein wirklich tief empfundenes Beileid.
marvin


Nicht erschienen um 23:40 im Forum zu 9/11

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Der Beitrag erschien gerade um 12:17 mit ein paar Schönheitskorrekturen.

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