Freitag, 19. Dezember 2008
Vollzeitsklaverei
Das Urteil hat mich ein wenig enttäuscht:
Warum ging es eigentlich "nur" um läppische 30 Stunden in der Woche?
Konsequent wäre gewesen, endlich zu legitimieren, was hier bei mir in Düsseldorf (und vermutlich auch anderenorts in Deutschland) seit Jahren gängige Praxis ist: Das ist nämlich der Ein-Euro-Job mit 38,5 Stunden in der Woche, entsprechend den meisten Vollzeit-Tarifverträgen. Wer aus irgendeinem Grunde meint, diese 38,5 Stunden nicht erfüllen zu können, muss allerbeste Gründe haben, denn ansonsten würde ihm unterstellt, dem Arbeitsmarkt auch sonst nicht zur Verfügung zu stehen.
Und das gibt Abzüge ...!

Nun sollen die in Fachkreisen sog. "AGHs" (="Arbeitsgelegenheiten") natürlich nicht nur die Arbeitskraft des Delinquenten abverlangen - Schröder-Clements-Hartz' Formel hieß schließlich "fordern und fördern". Sie sollen ebenso "qualifizieren". Es gibt Urteile niederer Instanzen, die besagen, dass dem Arbeitslosen bei Vollzeittätigkeit die Zeit fehlte, sich auch noch um reguläre Arbeit zu bewerben.
Die Anforderungen sind also nicht gering:
Es hat sich eine regelrechte Arbeitslosenindustrie etabliert, die davon lebt, das was sie tut nur irgendwie verbal zurechtzubiegen. Ich selbst hörte eine Vertreterin - eine gelernte Werbepsychologin übrigens, angestellt bei der Caritas - sagen, der "Markt der AGHs in Düsseldorf sei aufgeteilt". Die ARGEN können ihre Vermittlungs-Verantwortung bei 38,5 Stunden in der Woche schließlich nicht an jeden abtreten.

Und so gibt es die Pauschalen:
Der Arbeitslose kriegt einen Euro in der Stunde, welcher kein Lohn ist, sondern eine "Mehraufwandsentschädigung". Im konkreten Fall der Caritas führt das unter Umständen dann dazu, dass der Angestellte eine Toilette benutzen darf, der Arbeitslose Vollzeit"beschäftigte" jedoch nicht. [size=1](Dürfte denn ein Schwein beim Bauern ... )[/size]

Die Träger bekommen, je nach vorgeblicher Qualifizierung, zumeist zwischen 300 und 600 Euro im Monat, wovon sich eine "Maßnahme" (also die Festangestellten + x) tragen soll.

Für alles Andere gibt es den §16a (SGB2).
Offenbar haben das Viele noch gar nicht bemerkt, denn damit geht endgültig alles.
Schröder und Consorten haben den Ein-Euro-Job wohl aus einem Grund nicht näher definiert:
Damit sich die Gerichte streiten können!
(Und in der Zwischenzeit so mancher kapitalistische "Christ" daran verdienen ...)

marvin
zensiert um ca. 23:55 als neuer Thread.
Mit Verlaub: Die diensthabenden Pseudojournalisten haben nicht den Hauch einer Ahnung dessen, was tatsächlich abgeht. Alternative ist: Sie sind dienstbare Vollpfosten, Collaborateure, Idioten.
Ich weiß jedenfalls wovon ich rede ...

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Mit Verlaub ...

Hallo marvin,

man kann HIVler nicht mit Sklaven in einen Topf werfen – insofern ist schon die Überschrift etwas unglücklich gewählt.

Für den Besitzer war der Sklave ein Produktionsmittel dessen Unterkunft, Verpflegung und ggf. auch Weiterbildung sich als Betriebskosten vollständig im GuV des Sklavenhalters niederschlugen, d.h. selbst wenn heutzutage ein Billiglöhner unter Androhung von Abzügen in irgendeine windige Firma vermittelt wurde und dort seinen „Dienst“ leistet, ist er kein „Vollzeitsklave“.

Wenn es darum geht, dass Macht (die u.U. auch mit Geld erkauft werden kann) dazu eingesetzt wird, um von den „ökonomisch Schwachen, die sich selbst verkaufen müssen, um überleben zu können“ eine Leistung zu erzwingen, dann sollten wir einfach der Empfehlung von Karl Popper (OG II, 7. Kapitel: Das legale und das soziale System, Abschnitt V) folgen:

„Wir müssen in diesen Dingen sozusagen noch materialistischer denken als Marx.“

Die Arge gehört zwar nicht zu den Institutionen „die es uns erlauben, die ökonomische Gewalt auf demokratische Weise zu kontrollieren und die uns Schutz vor der ökonomischen Ausbeutung gewähren“ – sie ist aber auch kein Sklavenhalter (aus dem „Besitz“ von Arbeitslosen schöpft sie keinen Gewinn) – der private Vermittler und die Leiharbeitsfirma auch nicht, denn die „vermittelt“ oder „vermietet“ nicht die Person als Ganzes (inklusive aller „Nebenkosten“), sondern nur deren Arbeitskraft. Immerhin steht es der Person frei (wir leben schließlich in einer freien Gesellschaft), sich den Rest den sie zur Regeneration ihrer Arbeitskraft noch braucht, um sie erneut einem Arbeitgeber verkaufen zu können, von der Allgemeinheit „aufstocken“ zu lassen.

Auch nach dem jüngsten Urteil des Bundessozialgerichtes ist ein HIVler bei uns frei – er ist frei seine Arbeitskraft im Rahmen von 1€-Jobs zu Dumpingpreisen zu verkaufen und damit ggf. reguläre Vollzeitstellen vom 1. Arbeitsmarkt zu verdrängen (etwa wg. der aus der Kapitalakkumulation in diesem Wirtschaftssystem resultierenden „chronisch“ knappen Kassen bei Kommunen, bei Bildungs- oder auch karitativen Einrichtungen). Und wenn er das nicht macht, dann ist er zusätzlich noch frei von Bezügen – also quasi „doppeltfrei“ ...

M.f.G.
Qw

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